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Deborah

«Ey, ich bin's. Wo bist'n du, Mann? Ich versuch' dich die ganze Zeit zu erreichen.

Du machst deine Tür nicht auf.

Und, ähm, wir fangen alle langsam wirklich an uns Sorgen zu machen.

Also bitte meld' dich bei mir und, ähm, pass auf dich auf, ja?

Alles klar, bis dann.»


Ich hatte schon fast vergessen, dass es noch ein Leben da draussen gab. Dies war schon die siebte Nachricht, welche ich vom AB entgegennahm. Meine Freunde, meine Familie, sie alle waren nicht mehr wichtig. Sie existierten nicht mehr. Das Einzige, woraus meine Welt noch bestand, waren meine Wände. Die Wände meiner Wohnung. Sie kamen mir weisser vor, noch viel weisser als es für mich gesund war. Nicht nur die Wände, mein Regal, der Tisch, das Sofa, die Obstschale, mein Bett, die Bezüge. Jedes einzelne weisse Element engte mich ein. Egal in welche Ecke mein Blick auswich, brannte sich mir dieses stechende Weiss auf die Netzhaut. Es war alles zu intensiv: Meine Wahrnehmung, der Schmerz erst. Meine Temperatur war hoch, ich glaubte langsam mein Bewusstsein zu verlieren. Ich erinnerte mich vage an die Zeit, als ich noch ganz normale Sorgen hatte. Sorgen, wie den Bus zu verpassen, das richtige Geschenk zu kaufen, eine Abgabe nicht einzuhalten oder zu früh zu kommen. Das Einzige, was mich jetzt beschäftigte, war der zähe, schwarze, bogenartige Strang, welche meinen Mund aufspannte und mit einer seiner Verästelungen langsam in die linke Augenhöhle unterhalb meines Augapfels eindrang.


Meine Hände klammerten sich an den Rand der harten Stuhlfläche. War das überhaupt noch Schmerz, oder hatte ich schon ein neues Level von Leiden erreicht. Die elastische, dennoch stabile, schwarze Masse schien langsam von unten nach oben aus ihrem Mund auszufliesen. Ihrem Mund, ihrem perfekten Mund. Wer war sie jetzt eigentlich? War sie menschlich? Und was verfickt nochmal wollte sie? «Was willst du?», stöhnte ich mühselig mit meinem aufgespannten, kaum beweglichen Mund. Die schwarze Substanz verästelte sich weiter und wuchs in erstaunlich schnellem Tempo an meiner Zunge entlang. Sie fixierte meine Zunge in der Mitte des Mundraumes. Sie sass mir gegenüber, entspannt und sorglos auf der Bettkante. Auf meinem Bett, in dem ich seit neun ganzen Tagen nicht mehr geschlafen hatte. Ruckartig richtete ich meinen Blick zu ihr, zu ihrem Gesicht, ihren glänzenden, blauen Augen. Deborah. Sie war wunderschön.


Sie sah so aus, als würde sie jeden ranlassen. Aber sie war nicht so eine. Sie hatte es mit noch keinem von den Jungs. Oder irgendwelchen anderen Männern, die man über Ecken kannte. So etwas sprach sich schnell herum. Tatsächlich hatte niemand über sie auch nur etwas erzählt. Kein Wunder, denn es schien sie auch niemand zu kennen. Und in diesem Fall, wirklich niemand. Kein einziger Mann, keine Frau schien daran zu erinnern, sie jemals gesehen zu haben. Jeden, den letztes Wochenende fragte, hatte sie noch nie gesehen: «Ey, kennst du die da, die mit den schwarzen kurzen Haaren – Ja, die, genau. Ne, sicher?», «Ne hab keine Ahnung, mit wem die gekommen ist, ist die allein da?». Ich dachte mir nichts dabei, warum denn auch? Es war spät. So spät, dass man eigentlich schon längst auf der Toilette im grellen Licht mit übergebeugtem Haupt seinen Mageninhalt geleert hätte. Ich hatte nicht viel, vielleicht zwei Drinks, war eh viel zu teuer. Trotzdem war ich benebelt. Von ihr. Unsere Blicke trafen sich, erst vereinzelnd. Ich war nicht voreilig, sollte sie doch zu mir kommen. Doch es häufte sich, in immer kürzeren Abständen. Dann konnte ich meinen Blick nicht mehr von ihr abwenden. Ihr schien es gleich zu gehen. Sie fing an zu lachen, ich nicht. Ich war gebannt, gebannt von ihr. Ihr Blick durchdrang mich, durchflutete meinen ganzen Körper. Zuerst war ich regungslos, dann fasste ich mich wieder. Genug. Ich näherte mich ihr langsam. Ich versuchte locker zu wirken, während sie mir keinen Zentimeter entgegenzukommen schien. Dann endlich stand ich vor ihr: «Ey, Hi.», «Ich hab' dich hier noch nie gesehen». «Ich dich auch nicht», erwiderte sie mit abschätzender Haltung. Irgendwie hatte ich so eine Antwort von ihr erwartet. Genau so war sie. Ich hatte dann schon das Gefühl gehabt, sie gekannt zu haben. So ironisch. Ich wusste jetzt nicht mal mehr, ob sie ein Mensch war. Zumindest sah sie sehr danach aus.


Sie sah aus wie Mensch, eine Frau. Mit ihren samtigen schwarzen Haaren, ihrem femininen Gesicht, ihren leuchtenden Augen, ihren süssen Lippen, ihrer weichen, hellen Haut, ihren blossen, festen Brüsten, ihren zarten Händen, ihrem perfekten Körper. Er schrie danach, bewundert zu werden. Angefasst zu werden. Berührt zu werden. Und ihre Brüste, erst. Es waren die schönsten und vollsten Brüste, die es geben musste. Nicht zu klein, nicht zu gross, nicht zu hängend und nicht zu steif, nicht zu weich und nicht zu hart. Es war, als konnte ich mich nicht an ihr sattsehen. Was auch daran lag, dass mir durch den höllischen, bohrenden Schmerz, in inzwischen gut der Hälfte meiner Körperöffnungen, immer wieder schwarz vor Augen wurde. Die Qualen waren unerträglich, grade als ich das Gefühl hatte, dass meine Nerven jetzt endgültig durch Überstimulierung taub geworden waren, erreichte der Schmerz seinen absoluten Höhepunkt, welcher alles bis dahin Gespürte, um Welten zu übertreffen schien. Ich glaubte jedes Mal, nein ich hoffte, jetzt endlich ganz mein Bewusstsein zu verlieren. Sobald ich mich dann wieder gefasst hatte, verlor sich mein Blick, verlor ich mich früher oder später wieder in ihr. Auch sie begutachtete mich. Ihr Blick, er beinhaltete keine Sehnsucht und keine Qual. Sie war ganz locker und verspielt. Fast schon unschuldig, wie sie mir gegenübersass.


Ihrem entspannten Lächeln entnahm man pures Vergnügen. Dasselbe Lächeln hatte sie die ganze Nacht gehabt. Wir blieben nicht lange, nachdem wir ins Gespräch gekommen waren. Ich war mir nicht mal sicher, ob wir jemals ein richtiges Gespräch geführt hatten. Es spielte keine Rolle. Ich wollte sie raus aus dem Club, weg von den Menschen, sie erstmal für mich haben. Ich war leicht angespannt, sie war sehr pragmatisch. Sie wusste genau, was sie wollte, nahm alles locker, stellte keine unnötigen Fragen, führte fast keinen Smalltalk. «Dann lass zu dir gehen.» Meinte sie direkt, sobald wir draussen waren. Ich liebte ihren Vibe, dachte ich. Eigentlich war es ihr Aussehen, sie sah viel zu gut aus. Ein bis zweimal hinterfragte ich sogar die Lage. Sah sie zu gut aus? Zu gut für mich? Die Fahrt dauerte keine 10 Minuten. Meine Wohnung lag sehr zentral. Ich liebte meine Wohnung, die Location, die Aussicht. Jetzt hasste ich keinen Ort mehr als meine eigenen vier Wände, ich hasste meine Wohnung, jeden Raum, jedes Möbelstück. Vielleicht war es das Letzte, was ich jemals zu Augen kriegen würde. Erst im Treppenhaus hatte ich nach ihrem Namen gefragt. Sie hatte ihn mir vorher schon gesagt, doch ich konnte mich nicht an ihn erinnern. «Deborah». Deborah. Deborah. Fuck, Deborah. Ich werde diesen Namen nie wieder vergessen.


Deborah hatte meine Wohnung seit der ersten Nacht nicht mehr verlassen. Vergnügt hatte sie sich im Wohnzimmer umgesehen, während ich die Tür abgeschlossen hatte. Seitdem hatten schon einige versucht, sich Zugang zu verschaffen. Einige Freunde, mein Cousin und mein Vermieter hatten alle schon verbittert an die Tür geklopft. Ich konnte ihnen nicht öffnen, ich konnte überhaupt nichts tun. Nachdem die Tür geschlossen hatte, hatte ich ihr etwas zu trinken angeboten, sie hatte abgelehnt. Ich hatte Durst, war schon beim Gedanken dabei ein Glas Wasser zu füllen. Doch sie sah mich erwartungsvoll an. Sie wirkte gelassen, trotzdem so voller Lust. Die Zeit stand still. Es gab nur noch Deborah. Ich wollte Deborah. Wir küssten uns in langen Intervallen, ich stand ihr geneigt gegenüber. Ich fasste sie an, erst leicht, dann immer fester, immer bewusster. Elegant liess sie sich aufs Bett fallen. Ich kniete über ihr, half, ihren BH zu entfernen. Innerhalb von Sekunden hatte mein Hemd und meine Hose ausgezogen. Sie rollte zur Seite und legte sich auf mich. Es war so warm. Die Wärme überkam mich. Sie stütze ihre Hände auf meine Brust, ich küsste ihren Hals. Ich strich meine Hand ihrem Kinn entlang, ich schloss meine Augen, es fühlte sich so richtig an. Doch, meine Hand. Meine linke Hand, sie verfing sich. Eine Art Masse, kühl, schwer und wie Gummi. Sie schien über meine ganze Hand zu laufen. Verdammt, was war das? Ein Schauer durchlief meinen ganzen Körper. Ich wollte meine Augen öffnen, doch es ging nicht. Etwas drückt auf meine Augenlider. «Hey, was ist hier los?», aus meiner Stimme war Entsetzung zu hören. Deborah regte sich nicht. Ich konnte mich weder aufrichten noch meine Arme heben. Die Substanz floss nun über meinen ganzen Körper. Eine abartige, plötzliche Kälte verkrampfte meinen ganzen Körper. «Was, verdammte Scheisse, ist das hier?». Meine Stimme war nun erfüllt von Zorn. Ich war angespannt, bereit um Leben zu kämpfen, doch konnte ich mich jetzt keinen Zentimeter mehr bewegen. Ich spürte, wie sie sich zu mir beugte. Ihr Mund nur wenige Millimeter von meinem Ohr entfernt. Ich spürte ihren Atem, er war eiskalt. «Schweig, ich will dir nicht auch noch deine Stimme nehmen.», flüsterte sie mit einer so süssen, vergnügten Stimme, dass ich mich kurz wieder geborgen fühlte. Meine Wut war zur Furcht geworden. Ich wusste, dass sie wusste, dass ich ihr komplett ausgeliefert war. Was auch immer jetzt passierte, lag allein in ihren Händen, ihren weichen, perfekten Händen. Was passierte mit mir? Was wollte sie? Wie war das möglich? Was war sie? «Deborah, Debh…», war das Letzte, was meine kümmerliche Stimme hervorbrachte.


Neun Tage und Nächte, ganze neun Tage und Nächte. Oder zumindest glaubte ich, dass es neun waren. Wie war ich eigentlich noch am Leben? Neun Tage lang immer wieder aufs Neue, unerträgliche Qualen, stechende Schmerzen, unendliches Leid. Hoffnungslosigkeit und Akzeptanz mehr kannte ich nicht mehr. Neun Tage lang war sie in mich eingedrungen. Neun Tage lang ihr gelassene Haltung gegenüber meiner absoluten Verwesung. Ihr süsses Lächeln immer wenige Zentimeter gegenüber meinem verkrampften, leeren Gesichtsausdruck. Ihre schwarze Masse, die langen Stränge und die spitzen Verästelungen, sie schien in unendlichen Strömen aus ihr auszufliessen. Sie drang in meine Augen- und Nasenhöhlen, meinen Mund, in meine Ohren, unter meine Finger- und Zehennägel, sowie alle weiteren Öffnungen meines Körpers. Ich sass immer noch nur in Unterwäsche auf dem kalten Stuhl vor meinem Bett. Ich regte mich nicht, es hatte keinen Sinn. Sie hatte sich seit dem ersten Mal auch nicht mehr angezogen. Ihre nackte Haut schien so weich, so blass, trotzdem warm im Vergleich zu der tiefschwarzen, kalten Substanz. Ich war auch blass geworden, noch viel blasser als Deborah. Ich sah, wie sich meine Venen unter meiner Haut sich immer schwärzer zu färben schienen. Jetzt würde ich sterben. Sobald die Masse in jede einzelne Kapillare vorgedrungen war und sie komplett ausfüllte, solange ich mein Blut noch floss, so lange hatte ich noch zu leben. Gleich war es so weit. Vielleicht ein paar Minuten, vielleicht ein noch ein paar Stunden und dann war alles vorbei. Endlich würde alles vorbei sein. Ich hatte keinen Überlebensinstinkt mehr, keinen Antrieb. Noch ein letztes Mal fuhr mein Blick über ihren Körper, ihren so sorgfältig und bewusst von Gott geschaffenen Körper. Ich schloss meine Augen. Jetzt war es vorbei.


Das Leiden erreichte einen Höhepunkt, welchen ich mir nicht mal nach all den Qualen zuvor hätte ausmalen können. Ich schreckte auf, ich riss meine Augen auf. Die zuvor elastische Masse war nun fest und spröde geworden. Jede einzelne kleine Verästelung ritze sich wie ein Sägeblatt durch jede meiner Zellen, Blutbahnen, Knochen und Nerven. Das war Schmerz, nichts anderes, nichts anderes war diesem Gefühl auch nur nahegekommen. Deborah setzte ich auf mich. Es floss nichts mehr aus ihrem Mund, was bedeute, dass sich die gesamte Substanz sich jetzt in meinem Körper befand. Sie strich mir langsam und bewusst durch die Haare. Ihre Oberschenkel drückten auf meine Beine, sodass die Masse sich noch tiefer in das ritze, was von meinen Beinen noch da war. «Jetzt bist du auch frei.», «Endlich bist du frei mein Schatz»., sie wirkte noch zufriedener, noch gelassener als zuvor. «Endlich kannst du in die grosse, weite Welt». Meine Finger, meine Finger fingen sich langsam an zu bewegen. Sie bewegten sich, ohne, dass ich es wollte. Dann meine Arme, meine Beine und mein Kopf. Mein ganzer Körper machte kurze, ruckartige Bewegungen. Ich hatte nun komplett die Kontrolle verloren. Ich konnte meine Augen nicht mehr schliessen. Ich wollte blinzeln, doch es ging nicht. Meine Augen fingen an zu brennen, doch ich konnte nicht blinzeln. Meine Hände fuhren entlang ihre Hüfte, entlang ihren Brüsten, ihren Wangen und schweren Haaren. Wir küssten uns, so lang und fest, dass es den Schmerz fast ausglich. Es war noch viel schlimmer als nichts nicht gar nicht bewegen zu können.


Sie blickte mir tief in die Augen, doch mein Gesicht erwiderte es nicht. Mein Kopf drehte sich nach links, weit nach links, dann noch viel weiter nach rechts. Meine Arme streckten sich. Mein Körper streckte sich unter ihr weg. Ich streckte mich bis in die Fingerspitzen. Mit aller Kraft versuchte ich danach, mein rechtes Bein erneut auszustrecken, erfolglos. Kein Bein, kein Arm, kein Finger. Nichts. Es war nun nicht mehr mein Körper. Mein Verstand und mein Körper waren getrennt. Ich war nicht mehr ich selbst. War es die Masse, oder war es Deborah, die mich kontrollierte? Was spielte es für eine Rolle? Sie hob ihren Unterleib leicht an, während ich meine Unterhose auszog. Dann drang ich in sie ein. Nicht ich drang in sie ein, mein Körper drang in sie ein. Die ganze erste Nacht lang hatte ich mir den Sex mit ihr vorgestellt, seit dann hatte nicht mehr gedacht, dass es nur im Ansatz dazu kommen würde. Es fühlte sich nicht richtig an, so eine kranke Vorstellung hätte ich selbst nie haben können. Wie als wäre ich nur ein Zuschauer des Aktes, musste ich zusehen, während sie sich mit meinem leblosen Körper vergnügte. Ich konnte nichts tun, trotzdem fühlte ich alles. Ihr langsames Stöhnen entwickelte sich zu einem Hintergrundgeräusch, während ich auf nichts mehr klarkam. Schmerz und Lust konterten sich aus im Sekundentakt aus. Stoss um Stoss, erst das beste Gefühl deines Lebens, dann wieder, das Gefühl, als würde dein ganzes Bein auseinanderreissen. Mein Körper bewegte sich so leidenschaftlich, wie ich selbst nicht besser hinbekommen hätte. Der ganze Schmerz, das ganze Leid der letzten Tage, es war nichts mehr. Mein Körper war schon am Ende, doch jetzt gab sie meinem Verstand den Rest. Der Sex war zu perfekt, Deborah sah zu perfekt aus. Unsere Rhythmen waren die ganze Zeit über in makellosem Einklang. Ich überlegte kurz, ob es das, nach diesem ganzen Scheiss, vielleicht wert gewesen wäre. Nein. Ich wollte es nicht, ich wollte nicht stöhnen, ich wollte nicht kommen, nicht in ihr kommen, nicht so. Nach gut 10, 15 Minuten richtete sich endlich schwermütig von meinem Becken auf. Wir küssten uns ein letztes Mal. Der letzte Sex meines Lebens, so dachte ich. Ich war gar nicht mehr am Leben. Sie stand wieder auf, entfernte sich vom Stuhl und verliess den Raum. Auch mein Körper richtete sich langsam auf. Ich stand stolz, aufrecht. Mein Körper war stark, voller Energie, wie neu geboren. Aber ich, das wahre Ich, konnte nicht mehr. Ich hatte erwartet zu sterben, doch das war schlimmer.


Deborah kam zurück ins Schlafzimmer. In den Händen hielt sie meinen Badezimmerspiegel. Sie grinste. Sie stelle in ihm Türrahmen auf und stellte sich selbst neben mich. Ich sah, seit sehr langer Zeit wieder, mein eigenes Spiegelbild. Ich betrachtete durch die Augen, die nun nicht mehr meine waren, den Körper, der nun nicht mehr meiner war. «Jetzt.», flüsterte sie stolz. Ich hatte das Gefühl, dass sich mein ganzer Körper zusammenzog. Und tatsächlich, ich sah es im Spiegel. Schwarz, alles wurde Schwarz. Die Substanz drehte meine Haut von innen nach aussen. Ich fühlte keinen Schmerz mehr. Alles Schwarze zog wieder in meinen Körper ein und liess mich betrachten, was mit meinem Körper passierte. Meine Haut schrumpfte in mein Skelett ein, mein Skelett verdichtete sich. Mein Finger zog sich in meine Hand und meine Hand sich in meinen Arm. Ich wurde kleiner, gut 15 Zentimeter kleiner. Es passierte viel zu schnell. Meine Haare wurden länger, dunkler, meine Taille schmaler. Mein Gesicht wurde weicher, mein Becken runder. Meine Hände waren nun so schmal und lang, so feminin. Meine Silhouette nahm eine andere, doch vertraute Form an. Ich sah aus wie sie. Deborah. Nur noch Deborah stand im Spiegelbild, zweimal nebeneinander. Eine perfekte Kopie. Was auch immer ich jetzt war, was auch immer mit mir passierte, es würde wieder passieren. Mit wie vielen war dies schon passiert? Ich bewunderte meine blauen, glänzenden Augen. Meine Augen, sie waren das Schönste, was ich jemals gesehen hatte, schöner noch als die von Deborah selbst. Wir lächelten beide erwartungsvoll unsere Spiegelbilder an. Mein Gesicht lachte, mein Verstand war leblos. War ich der Erste? War diese Deborah, die ich kannte, war sie auch schon verwandelt worden? «Wie wollen wir dich jetzt nennen?», Deborah legte eine Hand auf meine Schulter. Verdammt, wie lange würde es wohl dauern, bis jeder Mensch auf der Welt- «Wir wissen beide, es gibt nur einen Namen, der zu einer hübschen, verführerischen Gestalt wie dir passt, oder?», durchbrach sie meine Gedanken. Ich wusste es, ich wusste, was ich antworten würde, also kam ich mir zuvor. Wie als wären mein Körper und Geist wieder ein letztes Mal vereint, folgten meine Lippen genau meinen Gedanken: «Deborah.», Mein Name war Deborah.







Inspiration / Anfangsmonolog von «Deborah», Casper 2017

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